11.02.2015
Die Pausen nutzten die Zuhörer zum Informationsaustausch und für angeregte Gespräche mit den Referenten.
Über 100 Sicherheitsexperten lauschten den Vorträgen bei der Fachtagung „Funktionale Sicherheit im Dialog“ im Industriepark Werk GENDORF. Hier referieren die Spezialisten der InfraServ Gendorf zum Thema „SIL und Ex“.
„Sicherheit ist nicht einfach und bedarf einer systematischen Vorgehensweise.“ Diese Aussage fasste eine wichtige Erkenntnis der ganztägigen Fachtagung zusammen, die von Standortbetreiber InfraServ Gendorf und HIMA, dem weltweit führenden Spezialisten für sicherheitsgerichtete Automatisierungslösungen, gemeinsam ausgerichtet wurde. Der Satz stammte vom Referenten Wolfgang Spielberger, Teamleiter Electrical & Automation bei OMV, einem Kunden von InfraServ Gendorf. Es war ein Appell an alle Verantwortlichen in der Chemie- und Prozessindustrie, sich detailliert mit der funktionalen Sicherheit auseinanderzusetzen.
Potenziell gefährliche Vorgänge in der Chemie- und Prozessindustrie werden von speicherprogrammierten Sicherheitssystemen überwacht, die bei Fehlern in den Produktionsprozess eingreifen und zum Beispiel ein Ventil zum Druckausgleich öffnen, um eine Explosion zu verhindern. Die Funktionale Sicherheit ist das korrekte Funktionieren dieser automatisierten Sicherheitseinrichtungen, mit der ein entsprechend definierter sicherer Zustand eingenommen wird. Dem Komplex der Funktionalen Sicherheit kam in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eine immer stärker werdende Bedeutung in allen technischen Bereichen zu.
Johann Ströbl, der Regionalleiter des TÜV Süd in Bayern, machte zu Beginn seines Vortrags deutlich, was auf dem Spiel steht: „Es geht um viel: Defizite in der Funktionalen Sicherheit können Menschenleben kosten und die Umwelt beschädigen.“ Wegen dieser großen Verantwortung sollten sich Sicherheitsexperten auch nicht ausschließlich auf Tools verlassen, die anhand von Wahrscheinlichkeitsrechnungen den Grad der Funktionalen Sicherheit einer Anlage bestimmen. Eine niedrige Fehlerwahrscheinlichkeit beruhige zwar die Nerven der Sicherheitsverantwortlichen, sei im Ernstfall aber wertlos. Seine Empfehlung: „Erst denken, dann rechnen!“ Die akribische Analyse und Ausschaltung aller Fehlerquellen könne kein Tool ersetzen.
Ganz praktisch wurde es beim Vortrag „SIL und Ex - zwei Welten prallen aufeinander“ von Otto Wimmer, Ingenieur für Funktionale Sicherheit bei InfraServ Gendorf. Er ging auf das normenkonforme Vorgehen bei der Verwendung von Komponenten in Zonen mit Explosionsgefahr ein. Anhand des Beispiels einer Pumpe, die nicht für den Einsatz in einer Ex-Zone vorgesehen ist, zeigte Otto Wimmer wie das Sicherheitssystem aufgebaut sein muss, damit diese Pumpe dennoch in einer explosionsgefährdeten Umgebung sicher verwendet werden kann. „Nur im Zusammenspiel der Experten der Prozesssicherheit, des elektrischen Explosionsschutz und der Funktionalen Sicherheit kann dieses Problem gelöst werden“, zog Wimmer sein Fazit. Dabei betonte er, dass trotz aller Lösungsvorschläge in den Regelwerken immer eine klassische Gefährdungsbeurteilung vorgenommen werden müsse.
Sebastian Dänner, Produktmanager bei HIMA, machte in seinem Vortrag auf die Notwendigkeit eines systematischen Obsoleszenz-Managements aufmerksam: Bei chemischen Anlagen mit einer Lebenserwartung von mehreren Jahrzehnten droht die Sicherheitstechnik zum Stolperstein zu werden: Elektronische Bauteile zur automatisierten Steuerung des Sicherheitssystems sind häufig bereits wenige Jahre nach ihrer Lieferung nicht mehr verfügbar, weil sich die Technik weiterentwickelt. Im Extremfall können solche Fälle dazu führen, dass die gesamte Systematik der Sicherheitsarchitektur überarbeitet werden muss – mit entsprechend hohen Umrüstungskosten. Die Empfehlung von Sebastian Dänner lautet: Ein Mix aus strategischem, aktivem und reaktivem Obsoleszenz-Management – von der Definition eines Obsoleszenz-Managers über die Verfolgung der Bauteilverfügbarkeit bis zur Bevorratung wichtiger Ersatzkomponenten.